· 

Vor Ort: Fettercairn Tasting mit Distillery Manager Stewart Walker (online)

Die Brennerei Fettercairn ist nicht wirklich auf dem Radar der meisten Whiskyfans. Das liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass es bis 2018 keine wirkliche Core Range gab. Mir ist eigentlich nur die Portreifung Fior bekannt, die ich aber bis heute noch nicht probiert habe. In der letzten Zeit kamen aber einige spannende Fettercairn auf den Markt und so gibt es neben einem 12 Jahre altem Standard auch immer wieder Small Batches mit Altersangaben. In den kommenden Tagen erscheint außerdem der Warehouse 2 in Deutschland. Ich hatte das Glück am vergangenen Mittwoch an einem Onlinetasting teilnehmen zu dürfen bei dem viele spannende Abfüllungen verkostet wurden. Geleitet wurde das Tasting von Andrew Lennie (UK Brand Specialist) und Stewart Walker (Distillery Manager). Heute möchte ich Euch mit auf diese Tastingreise ins Land der Einhörner nehmen!

Von Einhörnern und Avocados

Onlinetastings sind aktuell das Mittel der Wahl um als Marke noch irgendwie mit seinen Kunden in Kontakt treten zu können. Natürlich ist das vor allem den aktuellen Umständen geschuldet, aber so ein Tasting hat auch seine Vorteile: Man selbst kann einfach zu Hause sitzen und die Drams werden entspannt an die Haustür geliefert und man muss sich keine Gedanken über den Rückweg vom Tastingort machen. Was für mich aber ein viel größerer Anreiz für solche Tastings ist, ist die Tatsache, dass man auf diesem Wege auch einfacher über Landesgrenzen hinweg kommunizieren kann und meist spannende Gäste mit dabei sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei einem Tasting in Deutschland kaum der Distillery Manager anwesend wäre - diese Chance ist schon wirklich einzigartig! 

Das Tasting am Mittwoch wurde von Andrew Lennie geleitet, seinerseits UK Brand Specialist im Hause White and Mackay. Ihm zur Seite stand niemand geringeres als Stewart Walker, der Distillery Manager von Fettercairn, der seit über 30 Jahren bei der Brennerei arbeitet und im gleichnamigen Dorf aufgewachsen ist. Stewart ist sozusagen die Brennerei in Person. Ein Einhorn ist er aber, glaube ich, nicht!

Das Tasting startete mit einem kleinen Image-Film, der ein paar Eindrücke der Brennerei zeigte. Fettercairn ist idyllisch gelegen am Fuße der Cairngorms und bedeutet übersetzt "Fuß des Berges" - passend! Die Brennerei wurde 1824 von Alexander Ramsay gegründet, und 1825 wurde die erste Destillation durchgeführt. Ramsay ist auch der Grund für das Einhorn, welches die Flaschen als Brennereilogo schmückt: Es war Teil seines Wappens. Die Brennerei ging durch einige Hände, war teilweise in der Hand der Familie Gladstone, welche zeitweise sogar den Premier des Landes stelle und ist seit 1973 im Besitz von White & Mackay. 

Der interessanteste Fakt über die Brennerei sind sicherlich die Brennblasen, denn an diesen läuft von außen Wasser herunter. Das sieht nicht nur spektakulär aus, sondern hat auch einen deutlichen Einfluss auf den Geschmack. Als 1952 der damalige Master Distiller mit dem Geschmack des New Makes unzufrieden war lies er die Brennblasen zunächst einfach per Gartenschlauch besprühen. Das Ergebnis war ein deutlich fruchtigerer, tropisch anmutender Geschmack. Nur ein Jahr später wurde der erste "Cooling Ring" installiert. Einen lustigen Fakt zur Brennerei habe ich übrigens zum Ende des Abends von Basti gelernt, der das Tasting organisiert hatte. In Deutschland steht wohl auch die Avocado für die Brennerei, denn sie ist die Frucht mit dem fettigsten Kern. Wie da die Verbindung zur Brennerei ist könnt Ihr Euch ja selbst denken. Selbst für Stewart war diese Info neu. "I guess you learn something new every day" - Damn right, Stewart!

Auf die Drams, fertig, los!

Zurück ins Jahr 2021: Das Tasting startete mit dem 12 Jahre alten Standard. Er ist ausschließlich in Ex-Bourbon Fässern gelagert (juhu!) und konnte mich wirklich überraschen konnte. Im Vorfeld hatte ich von Aaron (seine Besprechung des Abends ist auch schon online) gehört, dass der 12er ihn nicht so wirklich abholen konnte. Da bin ich natürlich etwas kritischer an den Dram gegangen. Mich konnte der Whisky aber wirklich überzeugen, denn er bietet einen tollen Mix aus tropischen Früchten wie Mango und Papaya, sowie einheimische Favoriten im Geschmacksspektrum von Nektarine und Pfirsich. Dazu ein wenig Eiche und Malz. Lecker! Direkt nach dem 12er konnten wir den New Make "probieren". Er kam zu uns in einer kleinen Sprühflasche, mit der wir das frische Destillat in seiner Aromatik ergründen konnten. Auch hier zeigten sich die tropischen Früchte und das Malz, die Ähnlichkeit zum 12er ist schon verblüffend!

 

Der Star des Abends folgte als zweiter Whisky: Der Warehouse 2, welcher dieser Tage in Deutschland erscheint. Der Warehouse 2 bezieht sich im Namen auf eines der 14 Warehouses, die auf dem Grundstück der Brennerei stehen. Die Nummer zwei ist dabei ein ganz besonderes, denn hier liegt das älteste Fass der Brennerei (Jahrgang 1965) und auch auf der Tour kann man in dieses klassische Dunnage Warehouse schauen. Die letzte Zählung ergab übrigens, dass 3216 Fässer in diesem Warehouse lagen. Der Whisky setzt sich aus Whiskys im Altersbereich von 10 bis 11 Jahre zusammen und vereint fünf Fassarten in 19 verwendeten Fässern. Tawny Port Pipes (40%), American und European Oak Casks seasoned with Oloroso Sherry aus Jerez (20%), Ex-Bourbon (35%) und Virgin Oak (5%). Die Ex-Bourbon Casks stammen bei Fettercairn übrigens meist von Heaven Hill, da man Einfluss dieser Fässer sehr schätzt. Abgefüllt wurde mit 49,7%. Im Geschmack finde ich sehr viel Melone, Traube und wieder die hellen, tropischen Früchte. Eiche und eine leichte Würze bilden einen guten Ausgleich. Der Whisky fordert seine Zeit im Glas, erst nach 15 Minuten will er seine Aromen so richtig preisgeben. 

Als dritter Whisky kam der Fettercairn 16 Jahre ins Glas. Ein Dram, der mich letztes Jahr so begeistert hat, dass er mein Whisky des Jahres wurde. Ich verweise daher an dieser Stelle auf mein Verkostungsvideo für die Details und sage nur: Ein Nachfolger ist für Ende 2021 / Anfang 2021 geplant. Allerdings mit PX-Fässern und ohne Chocolate Malt.

Den Abschluss des Tastings bildeten zwei Whiskys im gesetzten Alter: Den Auftakt machte der Fettercairn 22 Jahre. Er lagerte, wie schon der 12er, ausschließlich in Ex-Bourbonfässern und wurde mit 47% abgefüllt. Für mich war diese Abfüllstärke Anlass Stewart zu fragen, warum man denn bei jeder Abfüllung eine andere Stärke nehmen würde. Von 40% bis knapp 50% war an diesem Abend alles vertreten. Die Antwort kann man sich denken: Wir füllen in der Stärke ab, die wir für richtig erachten. Der 22er ist ein spannender Dram und für mich der klare Gewinner des Abends. Selbst nach 22 Jahren zeigt er noch viel Brennereicharakter und zeigt gar jugendlich anmutende Noten des New Makes. Fruchtig, tropisch und noch sehr lebendig. Im Gegensatz dazu stehen aber auch gesetzte Holznoten, die mich an Sandelholz erinnerten. Warm, zart und nicht übertrieben bitter. Ein Dram, der Zeit verlangt und den Genießer dann umso mehr belohnt.

Der Abschluss des Tastings war ein Blindsample, das dank Andrew nicht so blind war. "I really can't keep a secret", sagte er noch nur um dann zwei Minuten zu sagen "This 23 ... a sh*t". So war dann doch recht schnell klar, was der Abschluss war. Fettercairn 23 Jahre Cognac Cask. Eigentlich eine Travel Retail Abfüllung, die aber ohne Probleme online zu beziehen ist. Für mich war dieser Whisky etwas zu unrund. Das Cognac Cask kämpft etwas zu sehr mit den tropischen Früchten und die Balance wollte sich nicht so richtig einstellen. Bei anderen kam er aber sehr gut an, vielleicht war ich auch einfach noch zu sehr im Bann des 22er?

Fazit

Das Fazit des Abends lässt sich kurz halten: Großartig! Diese Aussage bezieht sich natürlich auch auf die Whiskys, die mich durch die Bank weg eigentlich alle überzeugen konnten (der 23er bekommt noch eine Chance mit viel Zeit und Ruhe!), aber vor allem gilt es für die tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte. Stewart und Andrew haben zwei Stunden lang Fettercairn zu mir nach Hamburg gebracht und waren nicht nur unglaublich tief in der fachlichen Materie, sondern konnten auch immer wieder schöne, kleine, ruhige Geschichten aus dem Brennereialltag erzählen. Diese Zwischentöne sind für mich das Spannendste und zugleich der Teil, den man selbst erleben muss und den man nur schwer schriftlich fixieren kann.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Herr Ralf Bröker (Sonntag, 18 April 2021 21:13)

    Schöne Notes, die Lust auf mehr Fettercairn machen. Der 16er Batch 1 ist der Hammer. Wie gut muss dann erst der 22er sein ...