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Whisky Review #154: 82 Chapters to Newcastle - Chapter #3 Dailuaine 2011/2020

Whisky Survival Kit

Die Brennerei Dailuaine ist insgesamt eher unbekannt. Ich habe bisher aber schon einige spannende Abfüllungen probieren können und finde es daher etwas schade, dass man nur selten einen Malt aus dieser Speyside Destille ins Glas bekommt.

Heute habe ich allerdings einen Whisky im Glas, der vielleicht auch schon in die Richtung Exzess geht: Einen Dailuaine von 82 Chapters to Newcastle, der eine Reifung in insgesamt 4 Fässern verpasst bekommen hat.

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Es sind wilde Zeiten. Die Sonne scheint gerade, ich schreibe diesen Text am 4.4.2020. Meine Verlobte hat Geburtstag - den 30. um genau zu sein. Perfekt an einem Samstag, allerdings besteht die Party dann doch nur aus mir und dem Kater. Distancing, und so. Aber kommen wir zum Thema, dann versteht Ihr auch die Einleitung: Vor einigen Wochen kam ich mit Hadrian von 82 Chapters to Newcastle ins Gespräch. Er fragte in einer Facebook Gruppe (hey, wir sind beide in den 80ern geboren, da nutzt man das noch), ob es spannend sei, den neuen Whisky auch ohne den Finishing Prozess verkosten zu können. Ich sprach mich klar dafür aus, denn genau diese Unterschiede finde ich richtig spannend. Wir kamen also ins Gespräch, und ein Sample sollte sich auf den Weg machen. Dann geschah eine kleine Weile nichts.

Bis letzte Woche, denn da kam das Sample an. Und zwar nicht nur eine Kostprobe des fertigen Dailuaine und das "vorher"-Sample, sondern ein ganzes Covid-19 Care-Paket. Müsliriegel, Gartenkressen-Saat, Bierdeckel, ein paar Nudeln. Ihr seht es ja auf dem Foto. Was soll ich sagen, mir ging da wirklich das Herz auf. Hadrian schrieb mir, dass er viel Spaß bei dem verpacken hatte. Und ja, das ist ein witziger Gag. Aber es zeigt auch etwas, was ich aktuell in "der Welt da draußen" etwas vermisse: Mitdenken, Mitgefühl und grundlegendes soziales Verhalten. Gerade vor ein paar Stunden musste ich den unwürdigen Kampf einer Verkäuferin mit einer älteren Dame verfolgen (und eingreifen), bei der die Dame alle Desinfektionsmittel kaufen wollte. "Sie brauche das". Ernsthaft, was ist da nur los?

Ihr merkt, ich kann mich auch bei Whisky der aktuellen Lage nicht entziehen. Um es zum Abschluss zu bringen: Danke, Hadrian! Danke für den Witz, für's mitdenken und für dieses kleine Zeichen. Mir bedeutet es was, und es macht Euch und Euer Projekt nur noch sympathischer!

Dailuaine 2011 / 2020 8 Jahre - 82 Chapters to Newcastle ("Vorher-Sample")

Aroma: Leicht kühlend in der Nase, ein schönes Minzaroma kommt mir entgegen. Fast, wie ein abgekühlter, etwas dünn geratener Pfefferminztee. Diese Note erweitert sich zu allgemeinen Gartenkräutern, bleibt aber recht zurückhaltend. Dann leicht vanillig, etwas buttrig.

 

Geschmack: Der Antritt ist sehr angenehm, ich hatte nach der Beschreibung "schlimmeres" erwartet. Vanille strömt mir in den Mund, wieder Minze, Gartenkräuter-Beet (ohne die Erde), dann würzig werdend mit ordentlich Eiche, prickelnd auf der Zunge. Ingwerschärfe kommt hinzu.

 

Abgang: Der Ingwer und die Eiche bleiben, der Whisky drückt jetzt richtig und ist etwas ungestüm. Ja, ich kann den Reiz des Whiskys verstehen, aber ich kann auch die Idee, hier noch ein Finish anzusetzen nachvollziehen. 

 

Abschließende Gedanken: Eine gute, wenn auch junge, Bourbonfassreifung. Als Grundlage für Experimente tatsächlich ein guter Ausgangsstoff. Zumindest stelle ich das als Laie mal einfach so fest.

 

Malt Moment: Wenn das Kräuterbeet Feuer gefangen hat?!

Dailuaine 2011 / 2020 8 Jahre - 82 Chapters to Newcastle

82 Chapters to Newcastle Dailuaine Whisky

Über den Whisky: Nun kommen wir zum fertigen Produkt, welches Ihr alle online erwerben könnt. Der "über den Whisky"-Teil wird heute sehr lang, ich lasse einfach Hadrian selbst zu Wort kommen:

 

"Also wir zählen unsere Whiskys ja in Chapters, dies ist Chapter 3. Die Chapter davor hatten drei Unterkapitel, aber hier wird es kein 3.2 geben. Wir sagen, Whisky ist ein Getränk, welches Geschichte erzählt und Geschichten erzählt man in Kapiteln. Mit den Unterkapiteln ist das unsere 7. Abfüllung. Chapter 3 "Vier Fässer für ein Halleluja" ist ein Dailuaine, der zuerst im 1st Fill Bourbon Fass in Schottland reifte (ca. 7 Jahre). Dann holten wir das Fass nach Deutschland. Wir suchen stets besondere Lagerorte mit 2 speziellen Anforderungen:

1. besondere Lagerbedingungen (Luft, Temperatur, usw.)

2. besondere Geschichte hinter dem Lagerort

So schaffte es dieser Whisky untertage ins Bergwerk Gleissinger Fels. Da die Luft untertage konstant durchs Gestein gefiltert wird hat man dort die wohl reinste Luft die man auf natürliche Weise auf der Erde finden kann. Zusätzlich ist es sehr kalt und feucht. Darüberhinaus ist es eins der ältesten Bergwerke in Deutschland. Aber für dieses Finish nahmen wir nicht das Bourbonfass sondern splitteten ihn auf in ein Ex-Sherry-Quarter und ein Garrison Brothers Ex-Bourbonfass. Nach ca einem Jahr holten wir sie wieder aus dem Bergwerk und vereinten die beiden Split-Fässer wieder. Hierfür nahmen wir ein Ex Pacherenc Süßweinfass. Darin blieb er nur ein paar Wochen bevor wir ihn abfüllten. Abgefüllt haben wir ihn nicht in CS sondern mit 53,5%vol. Du wirst sehen, das ist ein absolut übertriebener Whisky. Uns ist bewusst, dass das eher unüblich ist, aber wir wollten einfach es einmaliges erzeugen. Aber in CS war er einfach zu krass. Die 53,5% sind tatsächlich nur 2,5% unter Fassstärke, es machte geschmacklich aber einen so super positiven Sprung, dass wir uns gegen Fassstärke entschieden haben. Gleichzeitig bleibt immer noch genug Spiel um mit Wasser herunterzugehen. Der Whisky gehört definitiv eher ans Ende eines Tastingabends."

 

Aroma: Vanillig, fruchtig und etwas beerig. Im Vergleich zum "vorher" Sample deutlich transformiert. Die Bourbonfassreifung tritt deutlich in den Hintergrund, dafür kommen Eichenaromen, Würze und eben diese "rote Süße" dazu. 

 

Geschmack: Der Antritt ist noch ein wenig milder geworden. Ich nehme zuerst Vanilleschote wahr, dann kommt eine leichte Säure - vielleicht aus dem Sherryfass? - dazu. Eine stark würzige Note setzt ein, wenn ich mich nicht irre, sind die Garrison Brothers Fässer dafür bekannt. Zumindest wurde so etwas bei St. Kilian erwähnt. Der Whisky baut sich wieder kräftig auf, ist aber durch die Finishes nun etwas eingefangener und hat weniger Schärfe, dafür etwas mehr Süße. Waldbeeren bleiben bei mir auf der Zunge liegen. Durch die Zugabe von Wasser wird das Mundgefühl etwas öliger und eine Sandelholznote entwickelt sich.

 

Abgang: Der Abgang ist, für mich, deutlich angenehmer. Weniger scharf, aber dennoch mit Kraft. Ein leichtes Prickeln merke ich weiterhin, eine leichte asiatisch-scharfe Note ist auch noch da. Aber der Ingwer ist jetzt eher kandiert, wenn Ihr versteht, was ich meine.

 

Abschließende Gedanken: Die Finishes, mögen sie auch auf den ersten Blick etwas wild erscheinen, ergeben insgesamt durchaus Sinn. Ich finde eigentlich alle Fässer geschmacklich wieder: Die Vorreifung bildet die Grundlage, Sherry und Süßwein geben die süßen Beeren und einige Tannine und das Garrison-Fass steuert Würze bei.  So entsteht in der Zusammenwirkung aller Komponenten ein Dram, der komplex, aber nicht durcheinander ist. Selbstverständlich bleibt der Whisky kräftig und jung, aber das will und soll er auch sein. Mein erster Kontakt mit 82 Chapters to Newcastle bleibt mir auf jeden Fall positiv in Erinnerung!

 

Malt Moment: Ein wundervoller Begleiter zu einem kräftigen Abendessen. Das Beet ist eh abgebrannt.

 

Zusammenfassung:

Kategorie:  Single Malt Whisky

Destille: Dailuaine

Region:  Speyside

Preis:  59,90€

53,5%

Kältefiltration: nein

mit Farbstoff: nein

Gelagert in:  First Fill Bourbon Barrel, Finish in Deutschland in: Ex-Sherry, Ex-Garrison Brothers, Ex- Pacherenc Süßwein. Ist klar.

 

Mehr Informationen:

Dailuaine auf Malte talks Malts 

82 Chapter to Newcastle

Whiskybase

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