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Whisky Review #114: Zu Besuch bei Macallan

Manchmal ist das schlechte schottische Wetter doch auch ein Segen, denn wie es zu erwarten war, hatten wir nicht nur Sonnenschein im März. Kurzentschlossen ging es so zur Speyside Brennerei Macallan um das neue Brennereigebäude zu begutachten. Heute nehme ich euch mit auf die "Six Pillars Tour", welche uns durch die gesamte Anlage führte und kläre auch die Frage, ob es sich um einen Verrat an der Whiskytradition oder um einen modernen Whiskytempel handelt.

Speyside 2019

Im März 2019 war ich wiedereinmal in der Speyside und habe mir eine ganze Menge Brennereien angeschaut. In den kommenden Wochen werde ich jede besuchte Brennerei ausführlich besprechen mit einem passenden Whisky, Videos und jeder Menge Bilder. Hier findet Ihr eine Übersicht, welche laufend aktualisiert wird.

 

Das reicht euch nicht? Hier gibt es Destilleriebesuche aus vergangenen Jahren!

Die 6 Säulen von Macallan

Die Brennerei Macallan ist eine feste Größe im Whiskygeschäft: Der aktuell teuerste Whisky der Welt kommt von hier, ebenso trinkt James Bond diesen Tropfen und mit der neuen Brennerei setzt nicht zuletzt Macallan selbst ein Statement: Wir glauben an uns und machen die Dinge so, wie wir sie für richtig halten.

 

Auf meiner Liste stand die Brennerei eigentlich nicht, denn ich habe hier einen gewissen "Dalmore-Effekt": Die neuen Abfüllungen leben mir zu sehr vom Ruf der alten Tropfen. Immerhin ist mittlerweile die "1824-Range" - bestehend aus Amber, Sienna und Ruby - mittlerweile wieder Geschichte und macht erneut Platz für Whiskys mit Altersangabe, aber dennoch sind mir die Whiskys im Verhältnis von Preis und Leistung tendenziell zu teuer.  Ich hatte also nicht unbedingt vor mir die Brennerei anzuschauen, doch dann kam eben das Wetter ins Spiel. Versteht mich nicht falsch, die Speyside ist ein wunderschöner Ort, nur im strömenden Regen hat man hier relativ wenig zu tun, denn eigentlich alles spielt sich draußen ab. Eine Brennerei zu besichtigen ist also eine gute Lösung für derartige Urlaub-Luxus-Probleme. 

Wir waren also abends spontan dort, hatten allerdings die letzte Tour gerade verpasst und mussten für den nächsten Morgen buchen. Einen kleinen Einblick hatten wir also schon vor der Führung und ich muss sagen, der hat schon gesessen.

Wo sind wir hier eigentlich?

Meine Freundin wurde von mir schon in einen ganzen Haufen Brennereien geschleppt, doch bei Macallan kam endlich wieder frischer Wind rein - sehr zu ihrem Vergnügen. Der erste Eindruck der Brennerei ist schon eben dies - beeindruckend. Gedrungen liegt das neue Gebäude am Hang, zunächst ist es gar nicht zu erkennen. Vielmehr fährt man durch ein großes Tor und dann einen kleinen Single Track mit vielen Kurven ins Tal hinab. Erst spät sieht man linker Hand die riesige Glasfront. Zunächst wirkt das alles recht überschaubar, ein Kompliment für das Architektenteam, würde ich mal sagen, denn dieses riesige Bauwerk verschwimmt wirklich gut mit seiner Umgebung.

Erst wenn man aussteigt und sich auf den Weg macht, merkt man die Größe. Einen geschätzt 100 Meter langen Fußweg über dunkelgraue bis schwarze Steine geht man kerzengerade auf die untere Ecke der Anlage zu. Den Eingang ins Kellergeschoss zu legen war ein ebenso gelungener Kniff, denn die Perspektive eröffnet nun die volle Größe dieses überdimensionierten Stillhouses. Wenn man durch die Türen (selbstverständlich automatische, vollverglaste Schiebetüren, eintritt wird man von einer monumentalen Wand aus Macallanflaschen zur linken, der "Rezeption" in der Mitte und dem Shop zur rechten begrüßt. Der Raum ist riesig, geht über zwei Stockwerke und alle angestellten sind schlicht schwarz gekleidet. Hier weht ein Hauch von Luxushotel, Bond-Bösewicht-Höhle oder modernem Kunstmuseum. Das Personal war übrigens immer mehr als freundlich, zuvorkommend und hatte einen feinen Humor, keinerlei Kritik an dieser Stelle. Kommen wir also zur Tour!

Von iPads, Videoinstallationen und ein wenig Whisky

Die Tour selbst startet in der großen Empfangshalle und führt über eine Treppe in der Mitte der Halle in die obere Etage, genauer gesagt zur Bar. Alles bei Macallan wird von Arrangements in Kreisen dominiert: Im Eingangsbereich steht in der Mitte ein riesiger Kreis über beide Etagen, hier sind die Treppen, Bar und ein "Lagerhaus" (dazu später mehr) integriert. Alle Darstellungstische sind kreisrund, die Brennblasen in mehreren Kreisen angeordnet. Hier wurde von vorne bis hinten alles durchdacht und in einer Designsprache durchgezogen.

Die Tour ist nach den "6 Säulen" angelegt, welche Macallan auszeichen: 

 

  1. Geschichte ("The spiritual Home")
  2. Brennblasen ("The curiously small stills")
  3. Der beste New Make / Cut ("The finest cut")
  4. Die besten Fässer ("The exceptional Oak Casks")
  5. Farbe ("The natural Color")
  6. Die Auswahl der Fässer & der richtige Zeitpunkt zur Abfüllung ("The peerless Spirit")

Wir stehen also um ein rundes Display, auf dem das alte Macallan Anwesen steht, welches Ihr bestimmt von den Flachen kennt und lassen uns etwas über die Geschichte der Brennerei erzählen. Ich bemerke gerade "oh, das ist ja süß. Das Haus ist ja sogar eingerichtet!", als unsere Tourguide an dem Tisch dreht, sich eine Hälfte des Hauses absenkt und den Blick ins Innere freigibt. Auf dem Tisch steht sogar eine kleine Flasche Macallan, befüllt mit echten Whisky, denn in jedem Haus auf dem Gelände muss mindestens eine Flasche Whisky stehen. So will es die Tradition. 

Durch eine Tür geht es weiter in die eigentliche Brennerei. Die Brennblasen sind zentral in zwei Kreisen angeordnet, in einem dritten befinden sich die Produktionsschritte zuvor. Alles ist von einem Betonweg umgeben, sodass wir die komplette Länge des Gebäudes abgehen können. Der Blick nach draußen zeigt: Es regnet, aber der Ausblick ist genial. Wir machen Halt an einer Miniatur der Brennerei und unsere Führerin schaltet im gesamten Bereich das Licht aus, ihr iPad ist mit allem vernetzt. Während sie die Whiskyproduktion Schritt für Schritt erklärt, leuchten sowohl das Modell, wie auch die echten Geräte in der Brennerei, auf. Genial für alle, die nicht viel über Whisky wissen, denn so sieht man gleichzeitig den Gesamtprozess und den konkreten Schritt. Wir gehen weiter und kommen an das andere Ende des Gebäudes. Hier stehen die Mash Tuns und der Produktionsprozess beginnt. Eine graue Betonwand schließt die Brennerei an einer Seite ab, eine Erweiterung sei so jederzeit möglich erfahren wir. Einfach die Mauer zurückbauen und weiter anbauen. Überragend ist natürlich die Decke, denn jedes einzelne Teil ist ein Unikat und wirklich nicht ein Holzstück ist identisch! Nun, hoffentlich muss hier niemand das Dach öffnen um Equipment auszutauschen.

Wir gehen nun in der Mitte auf die Brennblasen zu und machen einen erneuten Stopp. Richtig, kreisrunder Tisch. Hier stehen zwei Brennblasen: Eine nach dem Vorbild von Macallan und eine größere, eher prototypische Brennblase. Unser Guide dreht am Tisch, die Brennblasen rotieren und öffnen sich im Querschnitt. Wir lernen, dass die kleinen Brennblasen von Macallan für die Öligkeit des Destillats verantwortlich sind. 

 

Im Anschluss verlassen wir den Betonboden - das Stichwort, dass Fotos nun nicht erlaubt sind - und gehen zwischen den Brennblasen auf die andere Seite des Gebäudes und zurück in Richtung Eingang. Zurück im Bereich der Eingangshalle werden wir auf die kleine Fotoausstellung hingewiesen, die den Bau der Brennerei dokumentiert - ha! Also doch ein Kunstmuseum! Die Ausstellung haben wir uns nach der Tour angeschaut und ist durchaus empfehlenswert.

Für uns geht es an der riesigen Flaschenwand vorbei in einen Raum, der von drei Bereichen in - richtig! - kreisrunder Form dominiert wird. Zunächst gehen wir aber an die kurze Seite der Glasfront und erfahren etwas über die Farbgebung im Whisky. Dazu wird an einem runden Tisch mittels Drehvorrichtung eine schöne Glasskulptur enthüllt, welche von glasklar bis dunkelrot alle Whiskyfarben offenbart.

Wir wenden uns nun einem Bereich zu, der komplett in Eichenholz eingekleidet ist. Hier stehen verschiedene Fässer und wir lernen mittels Installation den Fasseinfluss kennen. In ein Lagerhaus kommen wir an dieser Stelle leider noch immer nicht. Dafür lernen wir, dass Macallan ca 30 Millionen Pfund pro Jahr für das Fassmanagement ausgibt. Die Brennerei soll damit nicht etwa fertige Fässer kaufen, sondern sucht die Bäume aus, aus denen extra Fässer hergestellt werden. Für mich klang das an dieser Stelle etwas übertrieben, überprüfen kann ich es natürlich nicht.

Der mittlere Kreis in dem großen Raum ist zeigt alle aktuellen Abfüllungen, aufgestellt wie Skulpturen in einem Museum. Für uns geht es weiter zum letzten Abschnitt der Tour: In einem kleinen (runden) Kino sehen wir einen Film, der uns den Whisky schmackhaft machen soll. Zum Abschluss wird es dunkel und eine Flasche Macallan 18 Jahre fährt in der Mitte aus einem runden Tisch. Nun, dieser Pathos überzeugt wenigstens die Amerikaner der Tour. Unsere Guide führt uns anschließend in die Bar, wo ein Kollege für das Tasting übernimmt. Zu verkosten gibt es dieses Line Up:

 

  • Macallan New Make Spirit
  • Macallan 12 Jahre Double Cask
  • Macallan 12 Jahre Triple Cask 
  • Macallan 12 Jahre Sherry Oak
  • Macallan Lumina

Die Drams sind dabei deutlich überschaubar und unsere Whiskys für zwei Personen passen locker in das erstandene Drivers Kit für eine Person, welches mit 10€ zu Buche schlägt.

 

 

Nach dem Tasting und dem Besuch der kleinen Galerie geht es für uns noch in das einzige, was einem Lagerhaus nahe kommt. Unterhalb der Bar ist ein runder Raum, den dem Fässer an der Wand hängen. Decke und Boden sind schwarz verspiegelt, sodass die Reihen zunächst unendlich erscheinen. Sicherlich stylisch und modern. Whiskyromantik kommt hier nicht auf.

Verrat oder Tempel? Das Fazit

Im Vorfeld habe ich nicht viel gutes gehört: In anderen Brennereien rümpfte man durchaus die Nase über die moderne Herangehensweise von Macallan. Und das, hat mich schon überrascht, da man sonst eher positives über andere Brennereien hört. 

Wie ist also mein Eindruck? Ganz ehrlich: Mir hat die Tour viel Spaß gebracht, denn sie ist ganz anders. Hier bekommt man die moderne, hippe, perfekt durchinszenierte Whiskypräsentation geboten und das finde ich erfrischend. Es gibt dennoch zwei Punkte, die ich als großes "aber" sehe:

Die Tour selbst war mir ein wenig zu stark auf "wir sind die Besten, wir machen den besten Whisky, wir geben das meiste Geld aus,..." ausgelegt. Diesen leicht amerikanisch anmutenden Selbstbezug empfinde ich als nervig. Vorallem, da ich andere Whiskys lieber mag. Wieso soll man 30 Millionen für Fässer ausgeben und diese angeblich genauestens betreuen und verwenden, wenn andere Brennereien ebenso gute Kontakte nach Spanien haben und den spannenderen Whisky produzieren? Diese Salesstory funktioniert bestimmt gut bei Einsteigern im Whiskybereich, mich lies dieser Pomp nur müde lächeln.

Der zweite Punkt wiegt dann auch schwerer: Eine Tour bei Macallan ersetzt definitiv keine Brennereitour bei anderen Brennereien! Wenn Ihr nur eine einzige Brennerei besichtigen könnt, dann würde ich euch nicht Macallan empfehlen. Hier ist alles technisch und auf Hochglanz gemacht, ja. Aber für mich liegt der wahre Reiz an Whisky in der Langsamkeit, der Ruhe und den Erinnerungen an Eindrücke. Eine Besichtigung ohne den Geruch eines Lagerhauses ist eben nur die halbe Miete.

So bleibt eine spannende Tour, die ich jedem empfehlen kann, der offen für neues ist und schon einige Brennereien gesehen hat. Alle denjenigen, die von vorne herein eine "dagegen"-Haltung haben, kann ich nur raten sich selbst ein Bild zu machen, denn der Besuch ist anders und er lohnt sich (auch wenn mich das Tasting dann doch nicht überzeugen konnte).

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