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Whisky Review #30: Glenfiddich - IPA Experiment & XX "Fassexperimente"

Ein Wort vorneweg, damit wir das hinter uns haben: Glenfiddich ist eigentlich keine Brennerei, die ich hier im Blog mit viel Zeit, oder besser gesagt Einträgen, bedenken wollte. Das soll nicht böse oder versnobt klingen, aber wirklich vom Hocker gehauen hat mich noch keine von deren Abfüllungen. Für mich schwingt einfach das "Einsteiger-Whisky"-Label mit, was soll ich machen?

Gefärbt, kühl gefiltert, meist recht schwach abgefüllt. Das tut dann sein Übriges, und ich investiere mein Geld lieber in andere Flaschen.

Aber diese beiden hier sind mal eine Ausnahme. Vielleicht überrascht mich Glenfiddich ja auch mal wieder, sag' niemals nie!

Fassexperimente

 

Die Sache mit den Fassexperimenten ist an sich ja nicht neu. Mittlerweile hat fast jede Brennerei irgendeinen Whisky mit Nachreifung, Exoten-Fass-Lagerung oder irgendwelchen anderen Mumpitz im Programm. Glenmorangie hat angeblich mit dem Ganzen angefangen, ob es stimmt? Ich weiß es nicht genau. 

Jetzt kann man sich der Sache aus zwei Richtungen nähern. 

1. Irgendjemand hat ja auch mal Whisky in ein Sherryfass gepackt, das war irgendwann auch mal exotisch, wieso denn nicht verrückte Weine, Preiselbeeren oder Kaffee als Erstbefüllungsgut verwenden? Die Devise hier: Offen sein für Neues!

2. Das gute alte "den gehen die guten Fässer aus, jetzt müssen sie halt schnell noch ein starkes Aroma drüberbügeln". Mag sein, kann in einigen Fällen auch stimmen. Immerhin ist die Nachfrage hoch, die Fasslager werden immer mehr angenagt, da muss halt auch mal ein altes Re-refill Bourbonfass in eine der Single Malt Abfüllungen, obwohl so ein Fass sonst nur in den Blend gegangen wäre (soweit man als Brennerei irgendwie an einem Blend beteiligt ist...). Und damit die ganze Nummer schmeckt: Klar Weinfinish von einer von Jungfrauen bei Vollmond handverlesenen aus römischen Zeiten stammenden Rebsorte. Tada: Highland Park "Virgin Moon Viking Blabla" ist auf dem Markt.

In dieser zynischen Sichtweise steckt manchmal bestimmt Wahrheit. Dennoch bin ich eher auf Seiten von "1." zu finden. Warum soll ein Wein-Finish nicht schmecken?

 

Damit kommen wir auch schon zu den hier vorliegenden Flaschen. Klaro, Glenfiddich haut hier ordentlich was an Marketing-Gebrabbel raus. Geheime Auswahlprozesse von 20 Fässern, das Zusammentreffen von zwei Genies in ihrem jeweiligen Fass, die auf die Idee kommen IPA und Whisky zu kombinieren. Ui ui, da muss ja was ganz tolles in der Flasche sein. Gefärbt und kühl gefiltert sind sie trotzdem beide. Der IPA hat leider auch nur 43% Alkohol, der XX macht es da schon besser mit 47%. Über die Besonderheiten schreibe ich jetzt jeweils bei den Verkostungsnotizen, dann geht es nicht so durcheinander. Bühne frei also für die Experimental Series von Glenfiddich.

Glenfiddich IPA Verpackung

Glenfiddich - Experimental Series #1 - IPA Experiment

 

Über den Whisky: Der IPA eröffnet die sogenannte Experimental Series, der XX ist allerdings als #2 zeitgleich erschienen. Ob weitere Whiskys folgen ist mir nicht bekannt. Der IPA ist der erste Scotch Whisky, der in IPA Fässern gelagert ist. Dazu kooperiert Glenfiddich mit einer Craft Beer-Brauerei aus der Speyside und das Bier wurde extra für dieses Experiment kreiert. Zu beachten ist hier die Wortwahl, denn die Kombination von Whisky und Bier ist nicht unbedingt neu, ich habe sogar schon einen Whisky mit einer - zumindest ähnlichen - Fassauswahl hier probiert. Allerdings ein Ire: Jameson Caskmates. Hoffen wir, dass das Ergebnis bei Glenfiddich besser gelungen ist. Den genauen Prozess kann man gut bei Glenfiddich nachlesen, ich sage ja, viel Marketing ist im Spiel.

 

Nase: Leicht, ziemlich unaufdringlich und angenehm. Alkohol kommt gar nicht durch. Dafür eine leichte zitronige Frische. Dahinter kommt aber etwas Pflanzliches, das könnte tatsächlich Hopfen sein. Vielleicht ist es auch einfach Malz, das eigene Wissen kann einen ja manchmal auch täuschen! 

 

Geschmack: Auch hier frisch und leicht. Nicht besonders mundausfüllend, auch hier eher auf der leichten - sprich dünnen - Seite. Zitrusaromen, leichte Orange, Zitrone und etwas Bitterkeit. Diese ist aber ganz sicher nicht aus dem Holz, sondern erinnert wirklich etwas an Bier. Insgesamt angenehm, aber auch nicht überragend oder besonders aufregend. Wieso wurde der nicht auch mit 47% abgefüllt? Das hätte wirklich was gebracht!

 

Finish: Hier kommt der Hopfen am besten durch. Der Abgang ist maximal mittellang. Leicht süßlich und eine bittere Biernote. Definitiv für mich der interessanteste Teil, leider auch etwas schnell vorbei.

Abschließende Gedanken: Vielleicht bilde ich mir das mit dem Bier auch nur ein, aber jetzt sage ich: das IPA, na gut, das Bier allgemein, kommt einigermaßen gut durch. Natürlich ist es nur ein Finish und daher nicht geschmacksbestimmend, aber eine hopfig-bittere Note ist auf jeden Fall zu vernehmen. Dazu die leichte Süße und Zitrusfrucht. Ein netter, aber unauffälliger Sommerwhisky.

 

Kategorie: Single Malt Scotch Whisky

Destille: Glenfiddich (Speyside)

Preis: 51-100€ (~55€)

43%

Kältefiltration: Ja

mit Farbstoff: Ja

 

Mehr Informationen:

Glenfiddich

Whiskybase

 

Abschließende Bewertung: 4/7

Glenfiddich XX Umverpackung

Glenfiddich - Experimental Series #2 - XX

 

 

Über den Whisky: Der XX (ausgesprochen: "Twenty") erzählt die Geschichte von 20 verschiedenen Fässern. Auf Einladung des Master Destillers Brian Kinsman hin wurden 20 Whisky-Experten aus der ganzen Welt zu Glenfiddich eingeladen. Die Rechnung habt ihr schon gemacht, jeder Experte hat ein Fass ausgesucht. Dabei geht es von Portwein bis hin zu First Fill Bourbon Fässern, welche anscheinend völlig frei und ohne Vorgaben aus dem Lagerhaus ausgewählt worden sind. Von dem Ergebnis war man angeblich selbst bei Glenfiddich positiv überrascht. Mal sehen, wie es mir schmeckt!

 

Nase: Beim XX ist in der Nase schon etwas mehr los. Der Alkohol ist trotz der 4% mehr gut eingebunden. Aber es ist sofort klar: dieser Whisky hat mehr Power! Fruchtige Aromen, süße Schokolade (am ehesten Alpenmilch), irgendwas "Rotes"? Beerig, vielleicht Erdbeermarmelade mit Rhabarber. Hatte ich heute zum Frühstück und das erinnert mich etwas daran. Also auch eine ganz leichte Säure mit dabei. 

 

Geschmack: Deutlich voller, direkt cremig und schmeichelt auf der Zunge. Deutliche Vanille, viel weniger Zitrus. Dafür kommt das Portweinfass (war es eigentlich nur 1 aus 20?) durch. Sehr angenehm! Dabei bleibt der Whisky aber schön leicht und sommerlich. Es ist kein Portwein oder Sherry Monster. Eigentlich ist alles schön in der Balance. Etwas Kräuterbonbon stößt dazu. Der gefällt mir richtig gut!

 

Finish: Das Finish überrascht. Es ist einigermaßen lang (sagen wir mal "mittellang") und kippt von der angenehmen Süße direkt in eine Holz-betonte Bitterkeit. Deutlich kräftiger und holziger als die Bitterkeit des IPA. Dazu sogar etwas prickelnd. 

 

 

Abschließende Gedanken: Ok, ok, ok, oooookay. Ich muss meine Vorurteile mal wieder über den Haufen werfen. Dieser Glenfiddich ist richtig gut. Der XX gefällt mir (bei gleichem Preis) deutlich besser als der IPA. Dieser Malt hat Charakter und ist eine schicke und ausgewogene Mischung verschiedener Fässer. Ist er jung? Ich bin mir nicht sicher! Zu dem Preis werden kaum alle Fässer 20 Jahre alt sein, aber vielleicht ist es ja ein klassischer "Multi-Vintage-Malt", also eine Zusammenstellung aus älteren und jungen Fässern. Erklärt das vielleicht die fehlende Altersangabe? Egal, der schmeckt mir!

 

Kategorie: Single Malt Scotch Whisky

Destille: Glenfiddich (Speyside)

Preis: 51-100€ (~55€)

47%

Kältefiltration: Ja

mit Farbstoff: Ja

 

Mehr Informationen:

Glenfiddich

Whiskybase

 

Abschließende Bewertung: 6/7

 

Fazit - Ein gelungenes Experiment?

 

Die abschließende Frage ist jetzt natürlich: Ist das alles nötig? Oder anders gefragt: War die bisherige Experimental Series ein erfolgreiches Experiment?

Meiner Meinung nach ja! Auch wenn beide Whiskys vielleicht nicht in der Spitzenklasse der Whisky-Welt spielen, sind sie auf ihre Weise doch etwas besonderes. Trinkbar sind beide allemal, wenn nicht, dann wäre das Experiment wirklich daneben gegangen. Was bleibt also? Der IPA ist gut, der XX ist für mich aber deutlich besser. Wirklich erwähnen will ich aber auch noch einmal die Liebe zum Detail: Die Flaschen sind beide wunderschön designed und sehen toll aus. Eigentlich bin ich kein Freund von dunklen Flaschen (ich will die Farbe sehen!), aber hier ist es gefärbt, da kann man dann halt auch alles an Möglichkeiten zum designen ausschöpfen. Dem Whiskypuristen ist das natürlich egal, aber der sucht wohl eh eher andere Flaschen.

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